© Das Historische Quartett
Das Freiding in Evern
Im Großen Freien, sowie in
anderen niedersächsischen
Landesteilen auch, gab es die
verschiedenen Gerichtsformen
Goding, Meierding und Freiding.
Bedingt durch besondere Besitzverhältnisse in
einigen Ortschaften, kam es zur Einrichtung eigener
Gerichtsstätten. So auch in Evern während der
unmittelbaren Herrschaft des Bistums Hildesheim.
In seinem Buch „Die Freigrafschaften im mittleren
Niedersachsen“ beschreibt Dr. Manfred von
Boetticher das Freiding in Evern sehr anschaulich.
Mit freundlicher Genehmigung des Autors wird
auszugsweise (S. 55 – 56) aus diesem Buch zitiert:
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Beschreibung des Freiding in
Evern
>> In auffälliger Weise stießen die unterschiedlichen
Rechtsformen in Evern zusammen. Im Jahre 1386
hatten die Herren von Saldern als Lehnsleute der
Grafen von Wernigerode das Dorf, das im Bereich
der Großen Grafschaft lag, an die Hildesheimer
Dompropstei verkauft. Zwar machten die Herzöge
noch im Jahre 1406 ihre Ansprüche auf ,,Königszins“
für Evern geltend, die dortigen dompropsteilichen
Güter blieben jedoch außerhalb des Freidings von
Lühnde. Erst nach dem Dreißigjährigen Krieg
konnten die Herzöge ihre vermeintlichen
hoheitlichen Rechte auf Evern durchsetzen, das
Dorf wurde Teil des ,,Großen Freien“.
Unter Hildesheimer Herrschaft wurde Evern in das
System der dompropsteilichen
Meierdingsverwaltung einbezogen, die sich auf die
in ihrer Struktur wenig veränderten alten
Villikationseinheiten stützte. Unter den
Hörigenverbänden, die den Herrschaftsbereich der
Dompropstei ausmachten, blieb Evern jedoch ein
Fremdkörper, der keinem der vorhandenen
Meierdinge zugeschlagen wurde: In späteren
Aufzeichnungen des Domkapitels erscheinen die
Bauern aus Evern als Mitglieder eines eigenen
,,Freidings“, das der Appellationsinstanz des ,,Hohen
Meierdings“ der Dompropstei unterstand. Zentraler
Unterschied zwischen den Bauern aus Evern und
den Leuten der ,,Meierdinge“ des Domkapitels blieb
die persönliche Freiheit.
Eine solche Konstruktion erlaubt Rückschlüsse auf
die allgemeine Entwicklung von ,,Freiding“ und
,,Meierding“ im Bereich der Hildesheimer
Herrschaft, vor allem im Raum der älteren Großen
Grafschaft, für den die Quellen sonst fehlen:
Einerseits war eine unfreie Stellung der
hildesheimischen Meierdingsleute im Jahre 1386, d.
h. zum Zeitpunkt des Übergangs des Dorfes an die
Dompropstei, offensichtlich die Regel, auch wenn
sich umgekehrt der Schluß damals noch nicht
durchgesetzt hatte, Meierdingsleute seien
zwangsläufig unfrei. Andererseits dürften die
Bauern in Evern am Ende des 14. Jahrhunderts
bereits persönlich frei gewesen sein, da das Dorf
sonst in eines der bestehenden Meierdinge
einbezogen worden wäre oder ein eigenes
,,Meierding“ gebildet hätte. So kam es zur Schaffung
des dompropsteilichen ,,Freidings“ Evern. An den
Besitzverhältnissen vor Ort änderte dies jedoch
wenig: Ohne Rücksicht auf die bäuerlichen Inhaber
wechselte das ganze Dorf seinen Eigentümer. <<
SIGILLUM IUDICII EVERENSIS
Siegelstempel - Kopie des Freigerichtes in Evern
im 18. Jahrhundert.
Das Original befindet sich im Kölnischen
Stadtmuseum unter der Inventarnummer KSM
1967-194.
Vielen Dank für die sehr gute Zusammenarbeit mit
dem Kölnischen Stadtmuseum, besonders an die
Registrarin Ulrike Hohn und den Restaurator
Hendrik Strelow.
Das Projekt wurde großzügig unterstützt von der
VR-Gewinnspargemeinschaft der Volksbank eG
Hildesheim-Lehrte-Pattensen.
Gestaltung der Texte und Vitrine unter Mitwirkung
des „Historischen Quartetts in Evern“.
Die Gerichtsstätte in Evern
Auszug aus dem Ortsplan von 1825/26
Der Dorfplatz in Evern hatte aufgrund der Lage
früher den Namen "Am Thie Berge". Ein Thie ist von
alters her eine Versammlungs-und
Begegnungsstätte. Nicht immer aber eine
Gerichtsstätte, wie z.B. in Ilten. Auch das seit 1562
belegte eigene Freigericht in Evern könnte auf dem
zentralen Thie oder aber auf dem Hof des
dompröbstlichen Vogtes (Nr.1, Haarstrich, das
spätere Gut) getagt haben. Der Gerichtstag fand
jährlich am Montag nach dem 5. Sonntag der
Heiligen Dreifaltigkeit ( So. n. Pfingsten) statt. Im
Jahr 2019 wäre es z. B. Montag der 22. Juli gewesen.
1621 einigte sich die Domprobstei Hildesheim mit
dem welfischen Herzog in Lüneburg über die
Herrschaftsrechte in Evern. Der Domprobst übte die
unmittelbare und hohe Gerichtsbarkeit aus,
Landesherr blieb aber der Herzog. Es wurde auch
verabredet, dass ein Täter von Evern über das
Gebiet der Amtsvogtei Ilten zum Stift Hildesheim
gebracht werden durfte. Nur im Falle einer
Appellation / Berufung konnte sich der Verurteilte
an das landesherrliche Gericht in Celle wenden.
Auszug aus „Episcopatus Hildesiensis Nec Non Vicinorum Statuum Delineatio Geographica“
1727
Das Amt Ilten versuchte über die Jahrhunderte
immer wieder die Rechte des Bistums
einzuschränken, allerdings erfolglos. Erst 1803
endete die dompröbstliche Gerichtsbarkeit in Evern.
Stempel / Kopie im Regional-
Museum zu sehen
Freigericht Evern beglaubigte Urteile mit dem
Stempel / Kopie im Regional-Museum zu sehen
Von Konstantin Klenke (HAZ 19.08.2019)
Rethmar/Evern. Das Regional-Museum Rethmar
hat ein neues Vorzeige-Exponat: In seiner
Dauerausstellung zeigt es ab sofort die Kopie eines
Siegelstempels, dessen Original das Freigericht
Evern früher nutzte, um seine Urteile zu
beglaubigen. Dieses Gericht gab es bis 1803, der
Stempel ist also mindestens 216 Jahre alt. „Dass der
Stempel nach so langer Zeit noch erhalten ist, ist
toll“, sagt Erhard Niemann, Vorsitzender des
Museumsvereins, „heute schmeißen Behörden, die
sich umbenennen oder auflösen, solche
Gegenstände ja häufig einfach weg.“
Das Freigericht Evern, das seine Urteile mit dem
Stempel beglaubigte, wurde 1562 erstmals
urkundlich erwähnt – der Siegelstempel könnte also
auch deutlich älter als 216 Jahre sein. Evern gehörte
in dieser Zeit zum Bistum Hildesheim. Deshalb zeigt
das Bild neben einer lateinischen Inschrift auch eine
fein ausgearbeitete Zeichnung des Hildesheimer
Doms. „Vielleicht kann der Bauzustand des Doms
Aufschluss über das genaue Alter des
Siegelstempels geben“, mutmaßt Siegbert Voges
vom Historischen Quartett, das sich mit der
Dorfgeschichte Everns befasst. Das will der
Museumsverein nun prüfen lassen.
Auf den Siegelstempel stieß Heiko Gnoth, ebenfalls
Mitglied des Historischen Quartetts, als er für das
Dorfjubiläum zu 900 Jahren Evern im Internet
recherchierte. Dabei stellte Gnoth fest, dass der
Stempel in der Sammlung des Kölnischen
Stadtmuseums schlummert.
Zunächst wollten Historisches Quartett und
Museumsverein für Interessierte eine Fahrt nach
Köln organisieren, um den Stempel zu betrachten.
Später erwogen beide, das Original für das
Regional-Museum auszuleihen – nun entschlossen
sie sich, eine Kopie anfertigen zu lassen.
„Um das Original vom Kölnischen Stadtmuseum zu
leihen, hätten wir zu viele Auflagen erfüllen
müssen“, sagt Museumschef Erhard Niemann. So
hätte der Verein den Stempel in einer speziellen
Vitrine lagern müssen, in dem ein Messgerät die
Temperatur ermittelt und reguliert. Außerdem hätte
er eine Versicherung und einen Mitarbeiter des
Kölner Museums bezahlen müssen, der das Stück
regelmäßig kontrolliert und reinigt. Dass nun nur
eine Kopie im Regal steht, störe ihn nicht, meint
Niemann: „Man kann beides ohnehin nur unter der
Lupe voneinander unterscheiden.“
Der echte Stempel ist laut Niemann 7000 Euro wert,
die Kopie bekam der Verein „für einen
Freundschaftspreis“. Hendrik Strehlow, Restaurator
des Kölnischen Stadtmuseums, berechnete dem
Verein nur die Materialkosten.